14.12.2020

Grenzenlos motiviert – Ein Interview mit Paraleichtathlet Phil Grolla Ein Interview mit Paraleichtathlet Phil Grolla

Mittlerweile läuft er allen davon. Um gegen ihn anzutreten, muss man einer der Schnellsten sein. Phil Grolla, 19 Jahre jung und der neue Stern am 100-MeterSprint-Himmel. Sein Trainer: niemand Geringerer als Werner Morawietz, seit mehr als 50 Jahren Trainer der Sprinter des VfL Wolfsburg. Das sagt schon viel, denn er trainiert nur die Besten: Sven Knipphals, Pernilla Kramer, Johannes Breitenstein.

Phil Grolla ist Leistungssportler im Bundeskader des Teams Deutschland der Paraleichtathleten. Er kam ohne linken Unterarm auf die Welt. Seine bisher größten Erfolge: Platz 8 bei den Paraweltmeisterschaften 2019 im 100-Meter-Sprint und Gold bei den Para-Europameisterschaften im 4 x 100-Meter-Staffellauf sowie Bronze beim 100-Meter-Sprint, der Königsdisziplin der Leichtathletik. Seine aktuelle Bestzeit auf 100 Meter: 11,11 Sekunden.

Zudem macht er bei VWI eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann und ist einer von vier Azubis, die bei VWI im aktuellen Ausbildungsjahr ihre Ausbildung begonnen haben. Wir trafen Phil Grolla und sprachen mit ihm über sein Leben, seinen Sport, seine enorme Motivation, seinen Alltag und seine Ausbildung bei VWI.

"Es ist tatsächlich die Herausforderung, mich selbst immer zu steigern, das Maximale aus meinem Körper rauszuholen. Das macht mir Spaß."

Hören Sie hier das vollständige Interview:

Phil Grolla im Startblock.
Die Prothese ist essenziell im Startblock (Foto: BSN/Martin Bargiel)

Zuhause (ZH): Wir freuen uns sehr darüber, dass wir heute mit dir das Interview machen können. Du machst gerade bei VWI eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann und bist Leistungssportler. Erzähl uns bitte mehr dazu.

PG: Ja, genau, ich bin im Bundeskader und starte da international für Deutschland in der Paraleichtathletik.

ZH: Wie hat das angefangen und wie bist du zum Sport gekommen?

PG: Tatsächlich durch meinen Bruder und meinen Vater. Mein Vater hat früher sehr viel Leichtathletik gemacht, mein Bruder hat dann auch irgendwann angefangen und ich bin dann immer mal mitgegangen. Es lief gut und deswegen habe ich immer weitergemacht.

ZH: Und wie war das als Kind, wenn du mit deinem Bruder zum Sport gegangen bist? Gab es da aufgrund deiner Behinderung Hürden für dich oder konntest du immer bei den anderen mittrainieren?

PG: Nein, tatsächlich nicht. Da war ich nie an dem Punkt, wo ich sagen musste‚ „Okay, da ging jetzt mal gar nichts“, oder dass ich Probleme mit anderen Leuten hatte. Ich hatte nie Schwierigkeiten. Ich denke, es ist auch entscheidend, wie man da rangeht. Wenn man im Vorfeld sagt, dass man etwas nicht kann, dann klappt es meistens auch nicht.

ZH: Ja, das ist sicherlich eine Frage der Einstellung und des Selbstbewusstseins. Und die anderen Kinder sind immer offen damit umgegangen?

PG: Ja, tatsächlich. Meine Eltern hatten zwar immer ein bisschen Angst, dass ich im Kindergarten oder beim Sport vielleicht gemobbt werde. Aber das war nie der Fall.

ZH: Welche Person hat dich besonders geprägt, dass du dich für den Leistungssport entschieden hast? War das hauptsächlich dein Bruder?

PG: Ja, auf jeden Fall. Mein Bruder hat auch sehr früh Leistungssport betrieben. Er hat Handball gespielt, ist mit 14 auf ein Sportinternat gegangen und hat in der Juniorenbundesliga gespielt. Mein Bruder war für mich ein riesiges Vorbild.

Phil mit seinem älteren Bruder Jan.
Phil mit seinem älteren Bruder Jan, der auch als Profisportler aktiv ist (Foto: privat)

ZH: Und lauft ihr heute manchmal noch um die Wette?

PG: Ja, gerade jetzt in der Coronazeit war er ab und zu auch mal öfter zu Hause. Dann sind wir zusammen draußen laufen gewesen und haben auch mal den einen oder anderen Sprint gegeneinander gemacht. (lacht)

ZH: Und wie läuft das so?

PG: Da kann er jetzt inzwischen nicht mehr mithalten. Inzwischen hat er da keine Chance mehr. (lacht)

ZH: Wie sieht bei dir ein normaler Tag aus mit allem, was du so unter einen Hut bringen musst?

PG: Also ich stehe meistens um 6.00 Uhr auf. Arbeite von 8.00 bis 16.30 Uhr bei VWI. Dann fahre ich direkt zum Training und trainiere bis 19.00 bzw. 19.30 Uhr. Fahre dann nach Hause, esse, dusche und dann war es das auch schon mehr oder weniger mit dem Tag.

ZH: Was ist deine Motivation? Was treibt dich an?

PG: Es ist tatsächlich die Herausforderung, mich selbst immer zu steigern, das Maximale aus meinem Körper rauszuholen. Das macht mir Spaß.

ZH: Nimm uns doch bitte mit in deinen Kopf. Wenn ich mir vorstelle, ich gehe jetzt in so ein Stadion und weiß, da sind die Kameras auf mich gerichtet: Was geht einem da durch den Kopf?

PG: Wenn ich ins Stadion gehe, kurz vor dem Lauf, da geht mir gar nicht mehr so viel durch den Kopf. Da bin ich auch gar nicht mehr so aufgeregt. Aber beim Warmmachen und im sogenannten Callroom vor dem Wettkampf, da sitzt man diese halbe Stunde mit den ganzen Konkurrenten zusammen und wartet, hält sich ein bisschen warm und guckt sich gegenseitig in die Augen. Da bin ich mega aufgeregt.

ZH: Wenn wir jetzt mal auf das Jahr 2021 gucken, was sind deine großen Ziele?

Phil Grolla beim Start.
Das nächste große Ziel: die 11-Sekunden-Grenze (Foto: BSN/Martin Bargiel)

PG: Mein erstes großes Ziel für 2021 sind die Paralympics in Tokio, falls sie stattfinden können. Dadurch, dass die Wettkampfplanung aufgrund von Corona noch gar nicht stattgefunden hat, weiß niemand, wie es weitergeht. Aber ich habe mir auf jeden Fall das Ziel gesetzt, unter elf Sekunden zu laufen.

ZH: Das Magazin heißt ja „Zuhause“. Von daher zum Abschluss noch die Frage: Wo bist du zu Hause und was bedeutet Zuhause für dich?

PG: Tatsächlich habe ich mehr oder weniger zwei Zuhause. Einmal die Trainingsstätte des VfL Wolfsburg – das Stadion am Elsterweg – und mein eigenes Zuhause, wo ich mich dann auch mal zurückziehen kann. Aber mir ist vor allem wichtig, dass ich mich bei allem, was ich mache, auch wohlfühle: bei der Arbeit, beim Sport und zu Hause. Das ist momentan auf jeden Fall so und darüber bin ich sehr glücklich.

ZH: Herzlichen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft.

Phil Grolla
Motiviert und zielstrebig – Phil Grolla (Foto: Janina Snatzke)
Phil Grolla
Das VfL-Stadion am Elsterweg ist sein zweites Zuhause (Foto: Janina Snatzke)
Phil Grolla
Bei VWI macht er eine Ausbildung zum Immobilienkaufmann (Foto: VWI)
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