Portrait Susanne Viehmeier - Foto Janina Snatzke

#WISSENSWERTES Ein neuer Anfang

Das Geschenk einer zweiten Chance Ein Gespräch mit Susanne Viehmeier

Über ihre unglaubliche Geschichte berichteten Medien in ganz Deutschland. Dank einer neuartigen Operationstechnik überlebte Susanne Viehmeier den Krebs, obwohl sie schon ihre eigene Trauerfeier geplant hatte. Heute ist sie krebsfrei, voller Lebensfreude – und möchte anderen Mut machen. 

Wir treffen Susanne Viehmeier und ihren Ehemann Holger an einem sonnigen Herbsttag in ihrem Zuhause in Ehmen. An den Wänden reihen sich nicht nur Porträts ihrer Töchter und Enkelkinder, sondern auch faszinierende Aufnahmen von fernen Ländern und exotischen Abenteuern. Das Reisen war für Susanne Viehmeier nicht nur ein Hobby – es war ihre Leidenschaft, die sie sogar zu ihrem Beruf machte, indem sie als Reiseverkehrskauffrau anderen dabei half, ihre Traumreisen Wirklichkeit werden zu lassen.

Wenn die Welt stillsteht Die Diagnose

Eine Reise nach Lanzarote war im Herbst 2022 geplant, um dort mit Freunden den 60. Geburtstag zu feiern, als eine unerwartete Diagnose ihr ganzes Leben auf den Kopf stellte. „Ich kann mich noch genau erinnern, als der Arzt mir sagte, ich hätte nur noch wenige Monate zu leben“, erzählt Susanne. Ein Gallengangkarzinom, inoperabel, Prognose: drei bis sechs Monate. Der Tumor hatte bereits alle drei zentralen Lebervenen umschlossen und eine chirurgische Entfernung schien unmöglich, sodass die Ärzte ihr empfahlen, sich in palliative Behandlung zu begeben.

Die Welt schien stillzustehen, der Alltag, die Pläne, das Leben – alles schien auf einmal so fragil. „Ich hatte das Gefühl, dass das gerade nicht mir selber passiert, sondern einem Menschen, der neben mir steht“, erinnert sich Susanne Viehmeier. „Zu dem Zeitpunkt hatte ich ja keine Schmerzen oder Beschwerden und konnte das nicht begreifen.“

Dem Krebs die Stirn bieten Aufgeben war keine Option.

Aber für sie stand fest: Sie wollte kämpfen. In dieser Zeit waren ihre Familie und Freunde ihr Halt. Entscheidungen wurden nie allein gefällt, sondern im Verbund mit ihrem Ehemann und den beiden Töchtern. „Wir haben das alles gemeinsam getragen. Allein hätte ich es nicht geschafft.“ Wichtig war dabei für sie auch die psychologische Begleitung. „In der Familie dreht man sich irgendwann im Kreis. Durch die Psychologin neue Gedanken zu bekommen, hat uns allen sehr geholfen“, berichtet sie.

Auch ihr Glaube gab ihr Kraft – ebenso wie ihr Pragmatismus und Humor. Um den Tumor, gegen den sie kämpfte, greifbarer zu machen, gab sie ihm einen Namen und taufte ihn „Erich“. „So wie Erich Honecker. Der war lange da, musste aber irgendwann verschwinden und keiner weiß so genau, was eigentlich mit ihm passiert ist“, erklärt Susanne Viehmeier schmunzelnd. „Genau so habe ich mir das immer für meinen Tumor vorgestellt.“

Susanne Viehmeier mit ihrem Ehemann Holger, der ihr in der schweren Zeit der Ungewissheit Halt gegeben hat. 

Auf ihrem Weg hat sie viel Unterstützung von Ärzten erfahren, angefangen beim Hausarzt, der sie nach einer Vorsorgeuntersuchung zur weiteren Abklärung ins Klinikum Wolfsburg überwies. Dort konnte, dank Professor Homann und seines Teams der Onkologie, zunächst das Wachstum des Tumors über eine Chemotherapie gestoppt werden. „Professor Homann gab nicht auf, weitere Möglichkeiten zu prüfen, um dieses Wort ‚unheilbar’ in ‚heilbar’ zu verwandeln“, betont Viehmeier.

Schlüsselfigur mit großem Netzwerk Auf der Suche nach neuen Wegen.

Dank des Einsatzes von Prof. Nils Homann vom Klinikum Wolfsburg wurde der entscheidende Kontakt zu MHH hergestellt, wo ein neues Studienmedikament die Wende brachte.

„In zertifizierten Zentren wie dem Cancer Klinikum Wolfsburg wird die höchste Behandlungsqualität für Tumorpatient*innen erreicht. Dank unserer engen Vernetzung mit anderen medizinischen Einrichtungen und Partnern können wir nicht nur individuelle und optimale Therapien, sondern auch Zugang zu innovativen klinischen Studien bieten. Diese eröffnen – wie im Fall von Frau Viehmeier – neue, ungewöhnliche und auch erfolgreiche Wege für Behandlungen“, resümiert Prof. Homann.

Die unglaubliche Wende Aus unheilbar wird heilbar.

Den Wendepunkt brachte schließlich der Kontakt zur Medizinischen Hochschule Hannover, wo ein neues Studienmedikament getestet wurde. Susanne Viehmeier wurde in die Studie aufgenommen. „Die Nebenwirkungen des Medikaments waren sehr stark. Ich verlor alle Haare, Finger- und Fußnägel, mein Mund war kaputt, ich konnte teilweise nur noch Flüssignahrung zu mir nehmen. Aber – der Tumor wurde tatsächlich kleiner“, erinnert sie sich. Plötzlich war eine Operation möglich, von der zuvor niemand zu träumen gewagt hätte. „Ich erinnere mich noch an den Anruf: ‚Frau Viehmeier, wir können Sie operieren.‘ Ich war sprachlos.“

Kaum wiederzuerkennen: Der Ausweis zeigt Susanne Viehmeier in einer Zeit, in der sie mit den starken Nebenwirkungen der Therapie zu kämpfen hatte. 

Weltweit erstmalige Operationstechnik Medizinische Meisterleistung an der MHH

Am 1. April 2025 fand der entscheidende Eingriff statt. Das Team an der MHH unter der Leitung von Prof. Schmelzle schöpfte alle Möglichkeiten der modernsten Technik aus und plante den Eingriff bis ins kleinste Detail, der weltweit erstmalig durchgeführt wurde. Das Unfassbare geschah: Der Tumor wurde vollständig entfernt. „Es war, als ob man mir mein Leben zurückgegeben hätte“, erzählt sie. Sechs Tage später durfte sie bereits nach Hause.

Susanne und Holger Viehmeier im Interview - Foto Janina Snatzke
Portrait Susanne Viehmeier - Foto Janina Snatzke
Susanne Viehmeier malt auf eine Leinwand - Foto Janina Snatzke
Susanne Viehmeier mit selbst gemalten Bildern - Foto Janina Snatzke

Das Geschenk einer zweiten Chance Schritt für Schritt zurück ins Leben

Kreativität half Susanne Viehmeier beim Heilungsprozess. In der Reha entdeckte sie die Malerei für sich: Farben mischen, Formen intuitiv auf der Leinwand ausprobieren, sich in einem Prozess verlieren, der gleichzeitig beruhigt und aktiviert. „Es ist egal, ob das Bild perfekt wird, es geht um den Prozess, um das Tun. Es hält die Finger beweglich und gibt mir Freude.“

Schritt für Schritt kehrt sie zurück in den Alltag, kann sich darauf freuen, ihre Enkelkinder aufwachsen zu sehen. Der erste Termin beim Friseur, nachdem die Haare wieder wuchsen, das erste Mal wieder allein Auto fahren – Erlebnisse, die so unscheinbar klingen und doch zu Sternstunden werden. „Dieses Gefühl von Freiheit, es war überwältigend.“ Dankbarkeit wurde ein zentraler Bestandteil ihres Alltags. „Ich lebe inzwischen wieder fast so wie vor der Diagnose, aber ich sehe vieles anders, bewusster, mit mehr Wertschätzung“, erzählt sie.

Ein wahrer Presserummel begann für Susanne Viehmeier nach der OP, den sie aber gerne in Kauf nimmt, wenn sie damit andere Betroffene erreichen kann. Menschen mit derselben Diagnose, Menschen, die in Angst leben. Sie erzählt ihnen, dass es manchmal Wege gibt, die niemand sieht. Dass Studienmedikamente Chancen eröffnen können. Sie appelliert an Betroffene, sich zu trauen, um Hilfe zu fragen, und ihr Umfeld mit einzubeziehen. „Ich möchte Mut machen. Es lohnt sich, zu kämpfen, nachzufragen, weiterzugehen und nicht aufzugeben. Selbst wenn ein Arzt einmal sagt, es gebe keine Hoffnung – manchmal öffnet sich doch eine neue Tür. Ein neuer Anfang ist immer möglich – auch dann, wenn niemand mehr damit rechnet.“

Für Betroffene und Angehörige Krebsberatung Wolfsburg

Eine Tumorerkrankung stellt das gewohnte Leben plötzlich auf den Kopf – für Betroffene ebenso wie für Angehörige. Die Krebsberatungsstelle Wolfsburg bietet in dieser schwierigen Zeit Unterstützung, ein offenes Ohr und fachkundige Begleitung. Leiterin Dr. med. Just verfügt über eine spezielle psycho-onkologische Ausbildung und arbeitet eng mit Fachärztinnen und Fachärzten, Kliniken, Hospizdiensten und Selbsthilfegruppen zusammen.

Das Beratungsangebot gehört zur evangelischen Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle Wolfsburg, ist aber für alle Menschen offen – ganz gleich, welche Religion, Weltanschauung, Kirchenzugehörigkeit oder Herkunft sie haben.

Telefon: 05361 13162

Telefonische Erreichbarkeit
Dienstag 13:00 bis 15:00 Uhr
Mittwoch 12:00 bis 14:00 Uhr
Donnerstag 10:00 bis 12:00 Uhr

Fotos: Janina Snatzke

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